Kostenanstieg bei den Krankenkassenprämien: Ratlosigkeit ist nicht gestattet
Ratlosigkeit ist nicht gestattet
Mit der erneut massiven Erhöhung der Krankenkassenprämien im Kanton Bern wurde wie jedes Jahr eine Diskussion in der Presse ausgelöst, die letztlich kein brauchbares Rezept, sondern den Leserinnen und Lesern Ratlosigkeit demonstrierte. Die Gesundheitskommission der SVP fordert nun rasches Handeln und definiert 8 zu ergreifende Massnahmen.
Wer oder was ist schuld am ungebremsten Wachstum der Kassenprämien im Kanton Bern?
Auf der Angebotsseite:
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Es herrscht ein immer noch ein zu hohes Akutbettenangebot.
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Es findet eine Verlagerung der grundversicherten Patienten in die Privatspitäler statt, da diese nicht entsprechend abgebaut haben und neu auch grundversicherte Patienten Anspruch auf eine Behandlung im Privatspital haben.
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Die prämienwirksamen Tarife für Grundversicherte in den Privatspitälern sind höher als in den öffentlichen Institutionen und zudem wird die Finanzierung im Privatspital durch die öffentliche Hand bisher abgelehnt. Der Aufwand des Staates bzw. der Steuerzahler wurde zu Lasten der Prämien reduziert.
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Da die Abgeltungen in den verschiedenen Akutspitälern unterschiedlich sind, (Private höher als Öffentliche) kann kein echter Markt aufkommen.
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Mit jährlich neuem System der Kostenermittlung und Abgeltung ist es bisher nicht gelungen, kostengünstige stationäre Anbieter von teuren Anbietern zu unterscheiden. Das verhindert einen Markt. Die objektiv richtige Einschränkung der freien Spitalwahl durch die Krankenkassen ( wenn diese einmal möglich sein sollte) und die objektiv richtige Streichung von Anbietern von der Spitalliste durch den Kanton sind immer noch nicht möglich.
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Es besteht eine viel zu hohe Dichte an teureren Spezialisten in der Praxis, die von Patienten ohne Triage durch den Hausarzt oft mehrfach parallel direkt aufgesucht werden.
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Es fand eine enorme Zunahme der Spezialisierung und Technisierung statt. Meistens natürlich zum Wohl des Patienten
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Eine Abnahme der Hausarztdichte ist fatal und findet in der Tendenz bereits statt.
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Die Demografische Entwicklung
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Die Anspruchshaltung der Patientinnen und Patienten
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Der Patient will keine Wartelisten für Wahleingriffe
Forderung: Die Krankenkassenprämien dürfen nur noch unterdurchschnittlich steigen
Das klare Volksvotum zum SpVG auch bezüglich privater Trägerschaft ist zu respektieren. Das heisst, die Spitalversorgung hat primär öffentlich zu erfolgen. Es gibt, wenn man nicht entgegen dem Volkswillen einen total liberalisierten Gesundheitsmarkt will, nur der verstärkte Eingriff auch in die Privatspitallandschaft, wenn man tatsächlich die Angebotsmenge bzw. die Leistungsmenge steuern will.
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Die neue Spitalliste 2008 ist so zu gestalten, dass im Kanton Bern 15% der Kosten für die somatische Akutversorgung innert 2 Jahren eingespart werden können. Im Vordergrund steht der Abbau von Akutbetten (prioritär in der Region Bern und unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit), damit verbunden eine Reduktion der Leistungsmenge sowie eine höhere Produktivität. Zwischen öffentlichen und privaten Anbietern ist eine Opfersymmetrie mit teilweiser Berücksichtigung der Sparvorleistungen einzuhalten.
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Private und öffentliche Spitäler oder Teile davon werden nur auf die Spitalliste für Grundversicherte gesetzt, wenn sie bereit sind, einen Leistungsvertrag gemäss SpVG mit dem Kanton abzuschliessen.
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An den Kosten für Grundversicherte aller privaten und öffentlichen Akutspitäler des Kantons beteiligt sich der Kanton nach dem gleichen System und in gleicher Höhe pro gleich gearteten Fall. Dadurch würde die eingetretene Entlastung der Steuern zu Lasten der Prämien korrigiert und gleich lange Spiesse für alle Anbieter geschaffen. Zur Durchsetzung dieser Forderung sind deshalb sofort verbindliche Daten zu erheben, die es dem Kanton erlauben, die Leistungsmengen, die Kosten und die Erfüllung der Qualitätsanforderungen an allen auf der Spitalliste figurierenden Spitäler zu vergleichen und nur noch mit Spitälern Verträge für die Grundversicherten abzuschliessen, die bei nachgewiesen hoher Qualität günstig arbeiten. Zentrale, periphere und private Anbieter haben in diesem Prozess die gleichen Chancen.
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Für alle Anbieter wird mit der Einführung des DRG – Systems (Diagnosis related groups) ein einheitliches anerkanntes Qualitätsmanagement verlangt, um die Risiken dieses Systems zu mindern (Siehe Anhang Risiken des DRG-Systems)
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Das SpVG ist zu vollziehen, indem das Inselspital ab 2008 nur noch soviel Grundversorgung anbietet, wie dies zur Aus -und Weiterbildung nötig ist. Die Aus- und Weiterbildung kann dabei auch in Zusammenarbeit mit Teaching – Spitälern erfolgen. Der Aufwand für Lehre und Forschung ist dabei separat auszuweisen und getrennt von den Dienstleistungsbudgets zu veranschlagen.
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Die Grundversorgung ist dem Inselspital pro gewichteten Fall in gleicher Höhe wie in den anderen Spitälern abzugelten bzw. zu finanzieren.
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Es ist verbindlich festzulegen, dass krankheits- oder abklärungsbedingte Verlegungen innerhalb einer Unternehmung oder in eine andere Unternehmung nur einen neuen Fall begründen, wenn eine neue Diagnose vorliegt. Zur Zeit werden teurere Verlegungen in eine andere statt innerhalb der eigenen Unternehmung vollzogen , weil die Abgeltung, bzw. die Finanzierung dadurch besser ausfällt
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Die Weiterbildung zum Hausarzt an den öffentlichen Spitälern und in Hausarztpraxen (Hausarztassistenzprogramm) ist zu unterstützen, weil Hausärztinnen und Hausärzte die ersten Kosten bestimmende Triage- und allenfalls Behandlungsstellen sind.
Übrigens: Ein Blick auf die Vorgeschichte lohnt sich!
Schon 1983 bezeichnete Roger Kübler, der heutige CEO des RSZ Bern in einem Referat das gemischt öffentliche/private System als nicht zukunftsträchtig. Er forderte den klaren Entscheid: mehr Staat oder konsequente Liberalisierung.
Vorausschauend hielt er fest, dass die Beibehaltung des jetzigen Systems einer Symptomtherapie gleichkäme, die eine unveränderte Kostenentwicklung nicht bremsen könnte.
Er behielt Recht. Heute betreiben wir im öffentlichen Bereich eine Gesundheitspolitik mit wohl strafferen staatlichen Vorgaben, akzeptieren aber gleichzeitig ein lockeres Privatspitalsystem, neuerdings noch zu Lasten der Sozialversicherung. Die Mengenausweitung ist in diesem System vorprogrammiert, da nicht über alle Bereiche gesteuert wird.
Der Bund, aber auch der RR versuchten erfolglos, die stetige Steigerung der Gesundheitskosten zu bremsen. Folgende Massnahmen wurden ergriffen:
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Die Neueröffnung von Praxen wurde erschwert
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Spitäler wurden im Kanton Bern geschlossen. In den letzten 20 Jahren wurden im öffentlichen Bereich ohne Insel, ohne Säuglingsbetten und ohne Betten für chronisch Kranke 47.85% oder 1739 Betten abgebaut. Wenn überhaupt, wurde im Privatspitalbereich wesentlich weniger abgebaut. Durch Effizienzsteigerung in den öffentlichen Spitälern (verkürzte Aufenthaltsdauer) wurden die Spitalschliessungen kompensiert und die Leistungsmenge nicht reduziert.
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Der Wille war vorhanden, Hausarztpraxen zu fördern, da durch die primäre Hausarzttriage eine kostengünstigere Versorgung erwartet wurde. Die gleichzeitig massiv verstärkte Bürokratie, der Verlust der Selbstdispensation und die fehlende gezielte Förderung der Ausbildung zum Hausarzt verhinderten ein positives Resultat.
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Ein Hausarztmodell wurde nie flächendeckend eingeführt.
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Die Franchisehöhe kann der Versicherte jährlich nach dem zu erwartenden Risiko und den geplanten Abklärungen neu wählen. Das hatte bisher sicher keine positive Wirkung auf die Prämienentwicklung. Das kann nur auf Bundesebene geändert werden.
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Die Erhöhung des Selbstbehaltes könnte die Nachfrage nach ambulanten Leistungen leicht gedämpft haben.