Motion eingereicht: Ausverkauf des kulturellen Erbes des Kantons?
Der Regierungsrat wird aufgefordert, in einem Bericht aufzulisten, welches die vom Kanton nicht mehr benötigten Verwaltungsliegenschaften von kulturhistorischer Bedeutung sind und darzulegen, warum und nach welchen Kriterien er sie an Private oder Gemeinden verkaufen will. Der Bericht soll zudem aufzeigen, wie dieses kulturelle Erbe langfristig gesichert sowie unterhalten werden soll und wie es weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleiben kann. Im Bericht ist auch die Rechtsfrage zu klären, ob der Kanton bei einem Verkauf seiner Kulturdenkmäler seiner gesetzlichen Pflicht zu ihrer ungeschmälerten Erhaltung tatsächlich nachkommen kann.
Mit der Verwaltungsreform wird eine Anzahl kantonseigener Liegenschaften frei, für die der Kanton im heutigen Zeitpunkt keinen unmittelbaren Verwendungszweck mehr hat und für die auch kein Mietinteressent vorhanden ist. Dass sich der Regierungsrat Gedanken über das künftige Schicksal nicht mehr benötigter Liegenschaften macht, ist zu begrüssen, denn es muss für sie ein neuer Verwendungszweck gefunden werden nicht zuletzt,
um auch Einsparungseffekte zu erreichen.
Der Kanton hat aber nicht nur finanzpolitische, sondern auch kulturelle Aufgaben und Pflichten. So verlangt das Natur- und Heimatschutzgesetz von den Kantonen, dass das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler geschont werden und, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben. Die Kantone müssen diese Pflicht u.a. erfüllen, indem sie eigene
Bauten und Anlagen entsprechend gestalten und unterhalten. Der Kanton unterhielt bisher eine Anzahl solcher Kulturdenkmäler von hohem kulturellem oder geschichtlichem Wert. Einige davon wurden mit Zustimmung des Grossen Rates renoviert und saniert oder gar für einen neuen Zweck umgebaut (z.B. Schloss Münchenwiler).
Mehrere der zur Diskussion stehenden Baudenkmäler sind eigentliche Wahrzeichen des Kantons und aufs engste mit der bernischen Geschichte verbunden. Und diese Geschichte spricht am direktesten und augenfälligsten aus historischen Bauwerken. Wenn solche Liegenschaften an Privatpersonen verkauft werden, besteht die Möglichkeit, dass diese von ehemaligen Investitionen der öffentlichen Hand profitieren, ohne an den ursprünglichen Zweck (meist garantierter Zugang des Publikums zu diesen – Erbstücken – bernischer Kultur und Geschichte) der kantonalen Finanzbeteiligung gebunden zu sein. Es dürfen nicht allein finanzielle Überlegungen sein, die zu einem Ausverkauf des kulturellen Erbes des Kantons führen. Denn durch den Verkauf an Private wird dieses Erbe der Bevölkerung womöglich unwiederbringlich entzogen. Zugleich bedeutet er längerfristig ein grösseres Risiko für dessen ungeschmälerte Erhaltung. Um solches zu rechtfertigten, braucht es zusätzliche handfeste Vorteile nicht nur für den Kanton, sondern auch für sein kulturelles Erbe und für die Gemeinden, in denen es liegt. Diese Vorteile sind – wo sie auf ein Objekt zutreffen – im Bericht aufzuzeigen. Zumindest müsste bei ausgewählten Objekten vor einem allfälligen Verkauf garantiert werden können, dass der Zugänglichkeit für das Publikum und der ursprünglichen Zweckbestimmung in einem bestimmten Rahmen Rechnung zu tragen ist. Auch ein Verkauf beispielsweise an die Sitzgemeinde muss aus rechtlicher und kulturhistorischer Sicht unter Umständen als problematisch beurteilt werden. Primär kann es nicht Aufgabe einer Sitzgemeinde sein, die Verantwortung für ein Objekt regionaler oder nationaler Bedeutung zu tragen und den Kanton von dieser Verfassungsaufgabe zu entlasten. Mit den geforderten Informationen könnte dem Grossen Rat (und damit der Öffentlichkeit) als ehemaligem Geldgeber Rechenschaft abgelegt werden, was mit seinem Anrecht auf Zugänglichkeit von Baudenkmälern, die für die bernische Geschichte von Bedeutung sind, mit seinem politischen Willen und den damaligen Finanzhilfen geschehen ist und weiter geschehen soll. Im Bericht sind insbesondere Fragen wie die folgenden zu beantworten, um der politischen Willensbildung Argumente zu liefern. Es ist davon auszugehen, dass der Grosse Rat über die meisten der fraglichen Objekte einen Entscheid fällen muss:
1. Welche der nicht benötigten Gebäude erachtet der Regierungsrat als für die bernische Geschichte und Kultur so bedeutend, dass ein Verkauf an Private nicht in Frage kommt?
2. Welches sind die nicht mehr benötigten kantonseigenen Liegenschaften von kulturhistorischer Bedeutung?
3. Wie beurteilt sich die Verkaufsstrategie des Regierungsrates aus rechtlicher und kulturhistorischer Sicht? Ist es beispielsweise richtig, die Last der Verantwortung für Kulturdenkmäler von kantonaler oder gar nationaler Bedeutung an die Sitzgemeinden bzw. die lokale Ebene zu übertragen?
4. Welche Liegenschaften dürfen verkauft werden und nach welchen Kriterien hat der Regierungsrat diese Liegenschaften ausgewählt?
5. Welches sind die finanziellen und die weiteren gewichtigen Vorteile, die einen Verkauf dieser Liegenschaften rechtfertigen?
6. Wie sollen Käufer (Private oder Gemeinden) verpflichtet und unterstützt werden, so dass sie die Kulturdenkmäler langfristig ungeschmälert erhalten, wie es die Pflicht des Kantons ist?
7. Wie kann sichergestellt werden, dass der Kanton später die Liegenschaften zu ihrer Erhaltung nicht wieder zurückkaufen muss?
8. Wie soll die öffentliche Zugänglichkeit gewährleistet werden?
9. Müssen bei Verkäufen an Private ggf. Beiträge Dritter (z.B. Lotteriefonds) zurückerstattet werden?
10.Welche Folgen für die Sitzgemeinden sind zu erwarten?
11. Wie stellen sich die Sitzgemeinden zu allfälligen Verkaufsabsichten?
Dringlichkeit verlangt:
In den Plänen der Verwaltungsreform ist bereits von der Devestition sehr vieler dieser Liegenschaften, besonders der Schlösser, die Rede. Solange die zukünftigen Besitzverhältnisse nicht klar sind, werden kaum mehr notwendige Sanierungs -und Renovationsarbeiten in Angriff genommen werden, mit zunehmenden Schäden. Die politische Willensbildung über Verkauf oder Kauf (z.B. durch Standortgemeinden) darf nicht verzögert werden und die dafür benötigte Zeit ist für die Definition der Verkaufs-Kriterien zu nutzen. Verzögerungen sind auch für das Parlament nicht erwünscht, das in dieses politische Willensbildung einbezogen werden muss. Angeblich sind bereits für gewisse Objekte Gespräche im Gange.