Voreingenommene Berichterstattung – dringende Fragen an «Der Bund» & «Berner Zeitung»
Gestern hat das Regionalgericht Bern-Mittelland den Entscheid im Fall eines Polizeieinsatzes vor der Heiliggeistkirche gefällt. Der Mitarbeiter der Kantonspolizei, der den Mann anhielt, ist freigesprochen worden. Die mediale Berichterstattung kurz nach der Anhaltung im Juni 2021 war voreingenommen und unvollständig und nahm damit eine öffentliche Vorverurteilung des Mitarbeitenden der Kantonspolizei in Kauf.
Im Artikel wird die Situation und der nun freigesprochene Berner Polizist auf die gleiche Stufe gestellt mit der Tötung von George Floyd in deren Folge ein US-Polizist zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Damit wurde der Berner Polizist mit dem verurteilten Polizisten in den USA gleichgestellt, der sein Knie während fast 10 Minuten auf den Hals des festgenommenen Mannes drückte, was schliesslich zu dessen Tod geführt hat.
Im Artikel zur Anhaltung in Bern wurde keine Angabe darüber gemacht, wie lange der Mann am Boden festgehalten wurde, obwohl die Medienschaffenden über diese Information verfügt hätten. Die Leserschaft erhielt also keine Information, wie lange die Fixierung gedauert hat. Das wäre jedoch in diesem Zusammenhang eine entscheidende Information gewesen. Die Fixierung dauerte 1 Minute und 13 Sekunden. Mit der Zeitangabe auf der Kamera hätten die Medienschaffenden die tatsächliche Zeitdauer feststellen können. Die zuständige Redaktion wurde gleichentags durch einen Fachmann auf diese Unterlassung sowie die unglückliche Bildauswahl hingewiesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wussten die Medienschaffenden, dass die Fixierung ungefährlich war, und dass die Situation deshalb nicht vergleichbar war mit dem Fall Floyd. Dennoch ist die Berichterstattung nicht präzisiert worden und es wurde auch kein anderes, klares Bild der Fixierung publiziert, obschon solche Bilder gemacht wurden.
In der Folge wurde der Mitarbeiter des Kantons während Tagen medial bzw. öffentlich vorverurteilt und in den online-Kommentar-Spalten mit Hass-Kommentaren eingedeckt und mit einem verurteilten Mörder in den USA gleichgestellt. Das war und ist eine schwere Belastung für ihn und seine Familie.
Das hätten die Journalistinnen und Journalisten verhindern können, denn sie hatten die nötigen Informationen dazu. Doch sie haben sie zurückbehalten.
In der Berichterstattung zum Urteil stand plötzlich nicht mehr der Polizist im Vordergrund, um den es sonst immer gegangen ist und die unzähligen Male abgebildet war. Denn er wurde freigesprochen.
Die Journalistinnen und Journalisten nahmen nicht nur eine Vorverurteilung in Kauf, sondern auch eine Beeinflussung von Zeugen, zumal die Beobachtenden kaum entgegen der Berichterstattung der jeweiligen Arbeitgeberin aussagen und als Medienschaffende auch für eine spektakuläre Medienberichterstattung verantwortlich sind.
Aus unserer Sicht wurde hier von den betroffenen Zeitungen die Grenze seriöser Berichterstattung überschritten.
Viele Fragen an die Redaktionen von „Der Bund“ und „Berner Zeitung“ beschäftigen die bürgerlichen Fraktionen:
- Wann entschuldigen Sie sich beim freigesprochenen Polizisten dafür, dass Sie ihn mit einem in den USA verurteilten Mörder gleichgesetzt haben? Und dafür, dass er tagelang durch die Kommentarspalten gezerrt wurde und dort übelst beleidigt wurde? Wann entschuldigen Sie sich bei seiner Familie?
- Wie konnte es sein, dass die Stellungnahme des Gerichtmediziners nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben worden ist? Bei so vielen Beteiligten Journalistinnen und Journalisten? Haben Sie sich abgesprochen? Wurde dieses Zurückbehalten von der Redaktionsspitze genehmigt?
- Was unternehmen Sie, dass in Zukunft eine derart einseitige, voreingenommene persönlichkeitsverletzende Berichterstattung nicht mehr vorkommt?
Die bürgerlichen Fraktionen erwarten von den Medien, gerade auch bei solch herausfordernden Artikeln, eine faire, ausgewogene und vor allem unvoreingenommene Berichterstattung.