Vernehmlassung

Teilrevision der Kantonsverfassung und der Grossratsgesetzgebung 

Die Revision zielt auf eine Stärkung des Parlaments in Krisensituationen ab aufgrund der Erfahrungen in der ausserordentlichen bzw. besonderen Lage zufolge des Coronavirus. Grundsätzlich steht die SVP einer stärkeren Einbindung des Parlaments als Volksvertretung in den politischen Gestaltungsprozess positiv gegenüber. Die teils improvisierten und allzu exekutivlastigen Erlassprozesse machen einen gewissen Handlungsbedarf deutlich. Ungeachtet dessen gilt: In Krisenzeiten ist primär die Regierung dazu berufen, politisch zu steuern. Parlamente sind strukturell ungeeignet für eine Rolle als Krisenmanager. Die Gesetzgebung in Krisensituationen ist zudem ganz grundsätzlich mit einem Verlust direktdemokratischer Mitwirkung verbunden, etwa wenn anstelle ordentlicher Gesetze Notverordnungen ohne Referendumsmöglichkeit erlassen werden oder aber bei sofortiger Inkraftsetzung eines Erlasses ohne Abwarten der Volksabstimmung (Gesetzgebung bei Dringlichkeit). Diese Einbussen bestehen auch dann, wenn das Parlament solches Recht erlässt. Wichtiger als die Frage, wer Recht in Krisensituationen erlässt, sind deshalb funktionierende checks and balances, damit die erteilten Befugnisse nicht überschiessend oder gar inflationär genutzt werden.

Konkret hat die SVP folgende Bemerkungen:

 

E-Art. 61 Abs. 1 Bst. e und E-Art. 74a KV

Künftig soll – wie bereits auf Stufe Bund – auch das kantonale Parlament dringliche Gesetze erlassen können, die sofort mit Erlass durch das Parlament in Kraft treten würden. Anders als im Bund sind solche dringlichen Gesetze aber nicht befristet. Umso wichtiger sind kompensatorische Mechanismen. Der Entwurf sieht denn auch zwei Sicherungen vor, welche vor einer inflationären Nutzung dieses Instruments schützen und damit zugleich einer Aushöhlung der Volksrechte entgegenwirken:

  • Es soll eine obligatorische Volksabstimmung stattfinden anstatt bloss fakultativer Referendumsmöglichkeit. Die Mitsprache des Volkes ist damit zwingend gewährleistet. Die Lösung hat zusätzlich den Vorteil, dass zwischen Inkraftsetzung und Abstimmung weniger Zeit vergeht, weil keine fakultative Referendumsfrist abzuwarten ist. Eine kurze Frist zwischen Inkraftsetzung und Abstimmung ist wichtig, andernfalls eine Abstimmung aufgrund bereits erfolgter Umsetzung der dringlichen Massnahmen ihres Sinnes entleert wird. Der Ausschluss des Eventualantrags erscheint aufgrund des dringlichen Charakters der Vorlage konsequent und Volksvorschläge sind bei obligatorischen Abstimmungen ohnehin nicht möglich.
  • Die Dringlichkeit bedarf einer qualifizierten Mehrheit, wobei zwei Modelle vorgeschlagen werden. Die SVP spricht sich für Variante zwei aus, wobei das Quorum zwei Drittel der Mitglieder des Grossen Rates betragen soll. Ein blosses Quorum der Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden, mindestens aber 81 Zustimmenden, wäre je nach Anwesenheit der Mitglieder zu tief. Sollte in einer Krise z.B. der Grosse Rat reduziert besetzt sein mit lediglich 120 Mitgliedern und wären die Absenzen einseitig bei einzelnen Fraktionen gehäuft, ohne dass eine Abstimmung von extern beschlossen wird, könnte die Dringlichkeit bereits mit 81 Stimmen beschlossen werden. Das wäre nicht mehr repräsentativ.

Mit diesen zwei Hürden kann die SVP der Einführung dringlicher Gesetze zustimmen.

 

E-Art. 74b KV und E-Art. 46a GRG

Neu soll der Grosse Rat auch Notverordnungen erlassen können. Die SVP steht dieser Einführung kritisch gegenüber. In ausserordentlichen Lagen, in denen schnelles Handeln zentral ist, drohen politisch unübersichtliche Situationen und gegenseitige Blockaden, wenn Regierung und Parlament gleichzeitig Verordnungen erlassen können. Das Parlament ist mit der neu geschaffenen Möglichkeit dringlicher Gesetze sowie der – zu begrüssenden – Genehmigungspflicht regierungsrätlicher Notverordnungen an einer zusätzlichen Session (E-Art. 46a GRG) ausreichend in der Lage, in Krisenzeiten (und erst recht in ausserordentlichen Lagen) politisch Einfluss zu nehmen. Die SVP beantragt die ersatzlose Streichung dieser Bestimmung.

Sollte die Bestimmung trotzdem eingeführt werden, beantragt die SVP, das Quorum in Art. 74b KV ebenfalls anzupassen auf zwei Drittel der Mitglieder des Grossen Rates und auch in Art. 46a GRG dasselbe Quorum festzulegen. Für die SVP muss zudem klar sein, dass die Genehmigung einer Notverordnung der Regierung ganz oder auch nur teilweise erfolgen kann.

 

E-Art. 41a GRG und E-Art. 68 GRG

Wir begrüssen grundsätzlich diese Stärkung parlamentarischer Mitsprache und Instrumente in Krisen, sehen allerdings Möglichkeiten der Vereinfachung (s. auch allgemeiner Hinweis unten). Nach unserer Auffassung sollten in den E-Art. 41a und 68 GRG im Büro dieselben Quoren von zwei Dritteln der Mitglieder des Grossen Rates gelten. Demnach würde eine Mitteilung des Büros über das Vorliegen einer Krise, welche die Konsultationspflicht gemäss Art. 41a GRG auslöst, mit zwei Dritteln der Grossratsmitglieder gefasst werden, was sachlich richtig ist. Mit dem gleichen Quorum könnte das Büro dann jeweils über die Verkürzung von Fristen zur Beantwortung parlamentarischer Entscheide befinden.

 

Allgemeiner Hinweis zur Rechtsetzung und Beschlüssen in nicht ordentlichen Lagen

Mittlerweile äussern sich zahlreiche Bestimmungen im bernischen Recht zu Krisen, wobei – der vorliegende Entwurf eingeschlossen – eine Übersichtlichkeit zusehends schwieriger wird. Das beginnt bereits beim Begrifflichen. Folgende Darstellung mag dies erläutern:

  • 61 Abs. 1 Bst. e KV spricht von «Dringlichkeit» (dringliche Gesetzgebung)
  • E-Art. 41a GRG spricht von «Krisen» (Regelung der Information und Konsultation des Grossen Rates sowie nachträgliche Berichterstattung)
  • 74b und 91 KV sprechen von «ausserordentlichen Lagen» (u.a. für Notverordnungen)
  • 77a GRG spricht von «Krisensituationen» (betr. Abstimmen von extern)
  • 24 GO benennt in «dringenden Fällen» die Kompetenzen der Geschäftsleistung des Büros des Grossen Rates (neu Bst. c3 betr. vorgängige Konsultation durch den Regierungsrat bezüglich Auffassung von Beginn und von Ende einer ausserordentlichen Lage)

Die Begriffe benennen teilweise überlappende, aber nicht immer identische Fallkonstellationen. Für die Auslösung der durch die Begriffe jeweils abgedeckten Folgen bestehen unterschiedliche Zuständigkeiten und Quoren. Demnach gäbe es bei Erlass der vorliegenden Vorlage künftig z.B. folgende Szenarien:

  • Krisensituationen (Art. 77a GRG), die aber keine Krisen sind (Art. 74a GRG);
  • Ausserordentliche Lagen (Art. 91 KV), ohne dass eine Krisensituation vorliegt (Art. 77a), aber sehr wohl ein dringender Fall (Art. 24 Bst. c3) für eine Konsultation der Geschäftsleitung.

Es dürfte in einer sowieso schon fordernden Krise Anlass zu einer gewissen Überforderung darstellen, in dieser Gemengelage von verschiedenen, sich überlappenden, aber trotzdem nicht identischen Gründen für eine nicht ordentliche Lage den Überblick zu behalten. Wir ersuchen das Büro des Grossen Rates deshalb, im Rahmen des Möglichen nach erfolgter Vernehmlassung die diversen Institute und Begriffe zu synchronisieren und damit die Rechtsetzung in nicht ordentlichen Lagen zu vereinfachen. Bspw. erscheint die Nuance zwischen Krisensituationen und Krisen nicht zwingend. Wird zwischen Krisensituation und Krise nicht mehr unterschieden, würde demnach künftig das Büro mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln das Vorliegen einer Krisensituation beschliessen, was dann zugleich die Möglichkeit einer Abstimmung von extern (Art. 77a und b GRG), die neuen Informations- und Konsultationspflichten auslöst (E-Art. 41a GRG) und verkürzte Antwortfristen auf parlamentarische Vorstösse (E-Art. 68 GRG) auslöst.

 

Artikel teilen
weiterlesen
Kontakt
Schweizerische Volkspartei des Kantons Bern, Optingenstrasse 1, 3013 Bern
Telefon
031 336 16 26
E-Mail
Social Media
Besuchen Sie uns bei:
Newsletter
Wenn Sie regelmässig über die SVP und unsere Arbeit informiert werden wollen, abonnieren Sie hier unseren Newsletter.
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter. Details ansehen
Ich bin einverstanden