Vernehmlassung

Totalrevision Sozialhilfegesetz

Die SVP bejaht die Notwendigkeit einer Totalrevision auf Grund der Veränderungen auf verschiedensten Ebenen.

 

 

  1. Grundsätzliche Bemerkungen

 

Insbesondere die gesetzgeberischen Entscheide der letzten Jahre mit den neu eingeführten Gesetzen (SAFG, SLG, BLG) erfordern, dass auch im total zu über­arbeitenden SHG die Systematik entsprechend angepasst wird. Zudem sind diverse Aufträge aus dem Grossen Rat zu berücksichtigen. Im Weiteren unter­stützt die SVP die Stossrichtung mit den Vereinfachungen in der Administration sowie der Anreize für Sozialhilfebeziehende und Gemeinden. Dies soll aber ge­währ­leistet werden, indem die Leistungen der Sozialhilfe im Grundsatz unverän­dert bleiben, d.h. die bewährte Unterstützung erhalten bleibt. Die zusätzliche Schaffung datenschutzrechtlicher Grundlagen, um mit dem neuen Fallführungs­system (NFFS) den Nutzenden administrative Entlastung zu bieten, sowie die Ergänzung der bestehenden Aufsicht mit der kantonalen Fachstelle Sozial­revi­sorat (FASR) und damit die Stärkung der Aufsichtstätigkeit von Gemeinden und Kanton sowie ein einheitlicher Vollzug der Sozialhilfe ist offensichtlich eine Notwendigkeit.

 

Der im Gesetzesentwurf aufgenommene, grossrätliche Auftrag eines Anreiz­­systems mit Selbstbehalt für die Gemeinden wird grundsätzlich begrüsst. Es wird sich im Verlauf des weiteren Rechtssetzungsprozesses weisen, inwieweit dieser Auftrag zufriedenstellend umgesetzt werden kann. Die Schaffung zusätzlicher Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützt die SVP explizit. Das schliesst nicht aus und findet auch unsere Zustimmung, dass wenn eine Person ein grösseres Vermögen erhält, sie die zuvor bezogene Sozialhilfe begleichen muss.

 

Rein formal liest sich dieser Gesetzentwurf wie eine Verordnung und wir haben auch Beispiele gefunden, wo Details wohl weggelassen, bzw. in der Verordnung geregelt werden könnten, ohne dass in der gesetzlichen Grundlage ungewollte Lücken entstehen. Das heisst der Detailierungsgrad ist zuweilen sehr hoch und es wäre zu überlegen, wo eine Verschlankung stattfinden könnte.

 

Zudem dürften einige Neuregelungen wie beispielsweise die Abgrenzung von Steuerung und Aufsicht und auch die Anreizfunktion des Selbstbehalts noch einem intensiveren Praxistest ausgesetzt werden. Die SVP begrüsst deshalb den aktiven Austausch mit Gemeinden und Fachverbänden auch nach dieser Ver­nehm­lassung.

 

Neu im Gesetz aufgenommen werden Forderungen aus überwiesenen Vorstössen aus den Jahren 2014 – 2022, welche grossmehrheitlich aus dem bürgerlichen Lager kommen und somit im Grundsatz unterstützungs­würdig sind.

 

 

Ein neuer Gesetzestitel, beispielsweise «Gesetz über die individuelle Sozialhilfe» anstelle von «Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe» würde etwas mehr Klarheit bezüglich des Inhalts schaffen und die Unterscheidung der diversen Gesetze im Sozialbereich erleichtern.

 

  1. Zu einzelnen Kapiteln und Bestimmungen des SHG Entwurfs

 

2.1 Allgemeine Bestimmungen (Art. 1-8)

 

Zu Art. 1, Abs. 1 Ergänzung:

Absatz 1 sollte wie folgt ergänzt werden:

„…die Finanzierung der Sozialhilfe (individuelle Sozialhilfe).“

 

Die Ergänzung bei Absatz 1 erläutert die Unterscheidung zu anderen Berei­chen/Gesetzestexten der Sozialhilfe. Die einmalige Aufnahme im Gesetzestext schafft bessere Klarheit bezüglich der Definition, als wenn es nur im Vortrag steht.

 

Zu Art. 6, Abs. 1 Ergänzung:

„….. Anhörung der Gemeinden sowie der privaten und öffentlichen Leistungsträger die Leistungsangebote ….“.

 

Die Ergänzung: „… sowie der privaten und öffentlichen Leistungsträger… “ ist notwendig, da die Fachkompetenz im Bereich der Sozialhilfegesetzgebung nicht nur bei den Gemeinden, sondern auch bei den beauftragten Leistungsträgern liegt.

 

 

2.2 Organisation und Zuständigkeiten (Art. 9-34)

 

Der Gesetzesentwurf schafft Parallelzuständigkeiten zwischen GSI und Gemein­den, was in der Folge klare Abgrenzungen in Gesetz und Verordnung erfordert.

 

Neu soll der Regierungsrat in die Organisationsautonomie der Gemeinden eingreifen können, indem er die Organisation der Sozialdienste vorgibt, ihnen die (Mindest-)Inhalte der Geschäfts- und Organisationsreglemente vorschreibt und das Qualitäts- und Risikomanagement vorgibt (Art. 17).

 

Zu Art. 12:

Neu soll die GSI «ergänzend zu den Sozialbehörden» die Sozialdienste beauf­sich­tigen. Diese Parallelaufsicht enthält Potential für Kompetenzkonflikte, die klar geregelt werden müssen.

 

Zu Art.14, Absatz 4:

Dort wo eine einzige Sozialbehörde für mehrere Gemeinden besteht, ist die Mitsprache jeder einzelnen Gemeinde in ausreichender Form zu gewährleisten.

Je nach juristischer Ausgestaltung der Sozialbehörde (z.B. Sitzge­meinde­modell) hat bei einem gemeinsamen Sozialdienst nur eine Gemeinde das Sagen und die anderen haben kein oder nur ein untergeordnetes Mitspracherecht. Im Zusammenhang mit z.B. der Ausgestaltung des Selbstbehaltes etc. wird damit die Autonomie der einzelnen Gemeinden untergraben.

 

Zu Art. 15, Abs. 1b:

Die Sozialbehörde der Gemeinde soll den Sozialdienst nicht mehr allein beauf­sichtigen, sondern nur noch «ergänzend zur GSI». Mit dieser Umkehr der Aufsicht wird unseres Erachtens die Logik der gesamten Organisation missachtet. Vielmehr müsste die Sozialbehörde die Aufsicht über die Sozialdienste innehaben (wie bisher) und die GSI beaufsichtigt ergänzend dazu die Sozialdienste.

 

Zu Art. 16 Abs.2:

Die Trägerschaften gemeinsamer Sozialdienste haben nicht nur die Rechte und Pflichten jeder einzelnen Gemeinde wahrzunehmen, sondern sollen auch die Grundsätze der Anreize (z.B. Selbstbehalt Modell) jeder einzelnen Gemeinde vertreten. Die Gefahr besteht, dass eine Sozialbehörde, als Trägerschaft mehrerer Gemeinden, nicht die Interessen der einzelnen Gemeinde, sondern nur diejenigen der Gesamtheit vertritt. Damit könnten Grundsätze (Anreize) dieses Gesetzes unterlaufen und die Wirkungsabsicht torpediert werden.

 

Zu Art. 17, Abs. 3 Buchst d

Neu soll der Regierungsrat Mindestinhalte zu einem Geschäfts- und Organisa­tions­reglement vorgeben. Es braucht diese Ergänzung zu den übrigen Punkten nicht und ist ein unnötiger Eingriff in die Organisationsautonomie der Gemein­den. Allenfalls könnte dieses Bedürfnis, so es überhaupt besteht, durch ein kantonales Musterreglement abgedeckt werden.

 

Zu Art. 24

Neu kann die GSI den Gemeinden kostenpflichtige Unterstützung leisten Das kann durchaus zweckmässig sein. Eine gesetzliche Einschränkung scheint uns nicht zweckmässig. Diese fachliche Unterstützung, die ja auch von Dritten erbracht werden kann, müsste unseres Erachtens vollständig in der Verordnung geregelt werden.

 

 

2.3. Leistungsangebote der Sozialhilfe (Art. 35-96)

 

Zu Art. 45 Abs 2:

Die Kürzung der Sozialhilfe kann bei fehlenden Sprachkenntnissen um max. 30% gekürzt werden. Das Mass der Kürzung soll auf Verordnungsstufe konkretisiert werden. Die SVP begrüsst diese Neuregelung

 

Zu Art. 62

Neu besteht eine Rückerstattungspflicht nur noch bei Vermögensanfall und nicht wie bisher auch bei steigendem Einkommen. Diese Änderung setzt aus Sicht der SVP richtige und wichtige Anreize und kann auch als klientenfreundlich bezeichnet werden.

 

Zu Art. 71:

Bei innerkantonalen Wohnortswechsel gibt es neu eine gesetzliche Grundlage für die Vornahme von Abzügen, was wir befürworten.

Wie steht es bei Kantonswechseln?

 

 

 

Zu Art. 72:

Die SVP sieht die Notwendigkeit, bei der Rückerstattungspflicht die Verjährungs­frist von 10 auf 15 Jahre zu erhöhen, nicht ein und beantragt, diese nicht zu ändern.

 

 

2.4. Aufsicht über die Sozialdienste (Art. 97-108)

 

Hier wird ein Systemwechsel vorgenommen, indem die Aufsicht schwergewichtig von den Sozialbehörden zur GSI wechselt. Dieser Systemwechsel erscheint in verschiedener Hinsicht als problematisch:

  • Es stellt sich die Frage, was diese Zentralisierung bringt. Die SVP setzt sich seit jeher für dezentrale Strukturen und für das Subsidiaritätsprinzip ein. Die Erfahrung lehrt, dass zentrale Strukturen schwerfälliger und in der Regel auch teurer sind. Die Kosten für das Sozial-Revisorat sind offensichtlich zu tief veranschlagt, was zu erheblichen Folgekosten führen dürfte.
  • Aus obigen Gründen ist es wichtig, was die Gemeinden wollen, und zwar primär diejenigen im ländlichen Raum. Eine Abstimmung mit den Gemein­den, bzw. ihrem Verband VBG erscheint uns deshalb unabdingbar. Als Alternative kann der Status quo beibehalten oder diese Aufgabe kann den Regierungsstatthalterämtern zugewiesen werden (wie dies schon früher der Fall war).
  • Problematisch scheint uns in diesem Kontext, dass sich das FASR gemäss den Vernehmlassungsunterlagen bereits im Aufbau befindet.
  • Die vorgeschlagene Lösung, die den Sozialbehörden noch gewisse marginale Zuständigkeiten belässt, dürfte zu Zuständigkeitsfragen führen.

 

Zu Art. 98 Abs. 1:

Änderung: «Die Sozialbehörde beaufsichtigt den Sozialdienst. Die Aufsicht der GSI findet ergänzend dazu statt.»

Die Logik eines stufenweisen Aufbaus der Aufsicht erfordert es, die primäre Aufsicht der Sozialbehörde zu übertragen. Dies, weil seitens GSI zur Aufsicht der Sozialdienste auch die Aufsicht über die Sozialbehörden dazu kommt.

 

Zu Art. 100-103:

Die GSI soll neu sehr ausgedehnte Aufsichtsrechte gegenüber den Gemeinden bzw. den Sozialdiensten erhalten. Insbesondere auch die Überprüfung der Organisation der Sozialdienste, die regelmässige Prüfung von Dossierst etc.

Diese Neuordnung der Aufsicht wurde nicht unter Einbezug der Gemeinden erarbeitet und scheint uns nicht unbedingt zweckmässig. Insbesondere entsteht der Ein­druck, dass hier Funktionen der Aufsicht und der Führung vermischt werden. Da die Gemeinden die Sozialhilfe ja zu 50% mitfinanzieren, müssten sie auch weiterhin unmittelbar Führung und Aufsicht übernehmen und die GSI subsidiär agieren. Ein Systemwechsel scheint uns auch mit Blick auf die zu verfolgenden Wirkungsziele, die Sozialhilfe möglichst kosteneffizient auszugestalten, nicht angebracht.

 

Zu Art. 106

Es erscheint als problematisch, dass Aufsichtsaufgaben an Dritte übertragen werden sollen, dies sowohl aus Optik Persönlichkeits- als auch Datenschutz, als auch unter den Aspekten der Fachkenntnisse (Qualitätssicherung) und der Kosten.

 

 

2.5 Datenschutz (Art.109-136)

 

Die Regelungsdichte in diesem Bereich erscheint uns als zu hoch. Der Entwurf ist zu entschlacken und im Gesetz sind nur die wesentlichen Punkte festzuhalten. Es muss eine Triage durchgeführt werden und Detailbestimmungen sind auf Verordnungs­stufe zu verankern.

 

Zu Art. 129 ff.:

Pseudonymisierte Daten für Steuerung und Aufsicht: In diesem Bereich ist darauf zu achten, dass nicht ein unnötiger administrativer Aufwand für die Sozialdienste erzeugt wird. Die knappen Ressourcen sind schwergewichtig für die Kernaufga­ben der Sozialhilfe und nicht für Pseudonymisierungen einzusetzen.

 

Zu Art. 133 Ergänzung:

Bei diesem Artikel sollte das Überprüfungsrecht der Gemeinden (heutige Gesetzgebung Art. 57i Abs.3) bestehen bleiben.

 

 

Zu Art. 134:

Einer einheitlichen, zentralen Lösung stimmen wir zu. Dies unter der Voraussetzung, dass die Gemeinden und die Sozialdienste bei der Evaluation eines solchen Systems umfassend einbezo­gen und dass deren Anliegen mitberücksichtigt worden sind und noch werden. Wichtig ist auch, dass das neue System zuerst in Pilotphasen ausgetestet und dass den Gemeinden und Sozialdiensten genügend Zeit für die Einführung eingeräumt wird.

 

 

2.6 Lastenausgleich Soziales (Art. 137-155)

 

Keine Bemerkungen.

 

 

2.7 Ausführungsbestimmungen (Art. 156-162)

 

Viele Regelungen werden erst auf Verordnungsebene verankert. Es ist wichtig, dass eine erster Verordnungsentwurf bereits im Zeitpunkt der parlamentarischen Behandlung (möglichst bei der ersten, spätestens vor der zweiten Lesung im Grossen Rat) verfügbar ist.

 

 

2.8 Übergangsbestimmungen (Art. 157-158)

 

Keine Bemerkungen.

 

  1. Gesetz über den Kindes- und Erwachsenenschutz

 

Zu Art. 4a Abs 2 und 3:

Hier muss verbindlich festgelegt werden (nicht nur kann), dass auch die kanto­nalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden das NFFS gemäss Art 134 SHG zu verwenden haben.

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